Page 6 - Wir Steine
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Impulse für diesen Bildband kamen nicht             Bildbänden "LichtGestein" und "Begeg-
               nur durch vorstehende Gedanken, son-                nung mit dem Unendlichen"  winzige De-
               dern auch durch die jahrelange, fotografi-          tails aus dem Inneren der Steine extrem
               sche Suche nach der Gestalt der Steine,             vergrößerte.
               deren Formen- u. Farbreichtum. Dito
               motiviert auch durch Lektüre von Ovids              Eine weitere kunstaffine Eigenschaft be-
               "Metamorphosen", den Prosaband von                  stimmter Steine benutzt der aus Nürtin-
               Christoph Ransmayer "Die letzte Welt",              gen stammende Kunstprofessor Klaus
               die literarische Hymne  von Roger Callois           Feßmann für seine musikalischen
               in "Die Schrift der Steine" und die Essays          Kompositionen: Die Fähigkeit, Klänge
               in M. Bärmanns "Das Buch vom Stein".                zu erzeugen, indem er die Steine in
                                                                   Schwingungen bringt.
               Den letzten und entscheidenden Impuls               Feßmanns "Klangsteine" sind noch ein
               für dieses Buch bekam ich, als ich zum              weiterer  Beweis dafür, dass Steine nicht
               ersten Male Achate und versteinerte Bäu-            nur benutzbares, totes Material sind, son-
               me im Querschnitt sah, als sich mir das             dern eine Fülle von oft nicht wahrgenom-
               Innere der Steine aufschloss: Die Pracht            menen Attributen haben. In seinen Kon-
               der Mineralienfarben, dieses innere                 zerten schwingen und klingen sie wie In-
               Leuchten; rhythmisierte Zeichnungen, die            strumente aus einer anderen Welt -  erfül-
               über viele Jahrtausende im Dunkel der               len die Räume mit gleichsam siderischen
               Erde entstanden waren - für mich war das            Klängen.
               Kunst pur: Abstrakter Expressionismus               Als Leitmotiv wählte ich für dieses Buch
               oder Informel oder wie auch immer...                das Gedicht  "Wir Steine" von Nelly Sachs.
               Ich besuchte zahlreiche Mineralienmessen            Darin gibt die Autorin den nur scheinbar
               und -museen, das Makroobjektiv stets in             stummen Steinen Stimmen, mit denen sie
               Reichweite.  Am meisten begeistert/e                auf ihr entgrenztes, nahezu allwissendes
               mich die großartig präsentierte Daueraus-           Sein hinweisen. Sie reden, sind Subjekte -
               stellung "Welt der Kristalle" in Rottweil.          und ermahnen uns - aus einer weisen
               Eine zusätzliche Anregung erhielt ich im            Warte der in ihnen ruhenden, zeitüber-
               weiteren von dem Makro-Fotografen Kon-              greifenden Erfahrungen - zu mehr Nach-
               rad Götz, der in seinen phantastischen              denklichkeit und Sanftmut.

                                                                   im April 2021 - Peter Liewald





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