Page 4 - Hoehlen und U-Bahnen
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chon seit langer Zeit fasziniert ferne Vibrieren eines abgefahrenen Zuges hört
mich der Aufenthalt in zwei und die Menschenmassen mit ihm verschwun-
unterschiedlichen Höhlenarten: den sind, stellt sich ein Gefühl von plötzlicher
S Leere oder bestenfalls beruhigender Entspan-
nung ein...bis zum nächsten, anschwellenden
U-BAHNHÖFE - das Eintauchen in die Rumpeln aus den Tunneln links oder rechts.
künstlichen, von Menschenhand konstruierten
Räume unter der Erde, die geprägt sind von NATURHÖHLEN - die verborgenen Ge-
Hektik oder geduldiger Warterei; von An- heimnisse dieser Hohlräume, die Wasser und
kunft und Abschied. Und einer Polyphonie von Tektonik formten; in denen ein oft überwälti-
Sounds bis hin zu schläfrig-ergebener Stille. gender Skulpturenschmuck aus bizarren Tropf-
steinen die geronnene Zeit von Jahrtausenden
widerspiegelt. Unfassbar die Dimensionen des
Kunstschaffens durch natürliche Prozesse
physikalisch-chemischer Metamorphosen.
Hier entstehen magische Stimmungen durch
schattenreiche Beleuchtung, die den steiner-
nen Figuren Leben einhaucht und anthropo-
morphe Erzählungen ermöglicht.
Die geradezu mystische Stille, wenn man
das Glück hat, dort alleine unterwegs sein zu
U-Bahn Oberwiesenfeld - München können - ergänzt und verstärkt durch verein-
zeltes Tröpfeln - lässt eine Ahnung zu über
Unterirdische Stationen mit ihren verzweigten die Dimension der Zeit, auch hinsichtlich der
Zugangspfaden und Tunnel; ihren statuarisch eigenen, winzigen Lebensdauer. Schon immer
wirkenden, klappernden Rolltreppen. waren sie Refugien für Lebens-Philosophen
Geschäftige Räume, die immer häufiger künst- und Eremiten. Schutzräume seit altersher.
lerisch designt werden durch Installationen, Mitunter hat man dort das Gefühl, als würde
Graffiti oder Mosaike. der Raum zur Zeit und die Zeit zum Raum.
Jenseits der Rushhour, wenn man nur noch das Orte des Staunens und der Entgrenzung.