Page 73 - Hoehlen und U-Bahnen
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im laByrinth
Ich verzögere meine Schritte, bis alle Teilneh- entstehen, die sich mit den Lichtstrahlen zu be-
mer dieser Führung durch die Cango Cave in wegen scheinen. Irgendwo hinter mir knackt es.
Südafrika an mir vorbei gezogen sind. In einem weiten Nebenraum der Höhle grinsen
Schleiche mich dann hinter einen übermanns- mich deckenhohe Kalkgesichter an.
großen Tropfstein und hoffe, dass mich nie- Ich verliere mich für eine Zeit im Bildermachen.
mand vermisst. Achte auf klare Linienführung, passende Aus-
Die letzten verhallenden Schritte; Stimmen, die schnitte und versteckte Motive in den Figurati-
verebben und dann die Stille, die herandäm- onen: Hier ein angedeuteter menschlicher Kopf,
mert, bis sie vollkommen ist: Kein Laut mehr, dort ein riesiges Zwitterwesen, das scheinbar
kein Mensch weit und breit in diesen steinernen Kontakt aufnehmen will.
Hallen. Noch erleuchten die installierten, ge- Mir ist, als würden die Steine gleich anfangen
schickt getarnten Lampen die bizarre Szenerie zu murmeln oder einen mehrstimmigen Gesang
- nun frei verfügbar für meinem Wunsch nach beginnen.
ungestörter Fotografie. Ich knipse die Taschenlampe aus und setze mich
Merkwürdig, wie sich eine unbestimmte Angst unter eine totemähnliche Säule.
mischt mit einer prickelnden Euphorie. Schwarze Stille - die ich jetzt mit all diesen un-
Ist es die totale Stille oder die Furcht, dass ich sichtbar gewordenen Figuren teile.
den Ausgang nicht mehr finde? Oder - dass die Eine ungewöhnlich intensive, innere Ruhe steigt
Höhle ganz geschlossen wird? in mir auf, mischt sich mit dem Gefühl einer
Das Licht geht aus, geht wieder an, geht wieder eher angenehmen Einsamkeit...
aus. Endgültig. Dunkelheit. bis plötzlich das zentrale Licht wieder angeht
Meine Taschenlampe modelliert jetzt die Sinter- und die Stimmen der neuen Besichtigungsgrup-
steine, lässt schnell wechselnde Gestalten pe näherkommen.